Astrid Többer (rechts) und Johanna Opgenoorth gehören zum Forschungsteam des CeBiTec der Universität Bielefeld. Foto: Kerstin Panhorst
Es gibt für Menschen nützliche und schädliche Pilze auf der Welt: Die nützlichen Pilze verbessern das Wachstum von Pflanzen, helfen beim Bierbrauen oder stellen Antibiotika her.
Die schädlichen Pilze befallen Menschen, Tiere und Pflanzen.
Zudem führen sie in der Landwirtschaft immer wieder zu hohen Ernteverlusten.
Als Gegenmaßnahme werden deswegen Fungizide gegen diese schädlichen Pilze eingesetzt.
Das Problem dabei ist jedoch, dass herkömmliche Fungizide nicht zwischen nützlichen und schädlichen Pilzen unterscheiden können.
Zudem können Pilze resistent gegen Fungizide werden.
Am CeBiTec (Center for Biotechnology) der Universität Bielefeld wird derzeit an einem Phagen basierten System geforscht, dessen Mechanismus gezielt und spezifisch schädliche Pilze zerstören und dabei befallene Lebewesen und nützliche Pilze schützen kann.
Schädlinge gezielt angreifen
Mit dem Forschungsprojekt soll ein neuartiger Ansatz zur Bekämpfung von einzelligen, eukaryotischen Pathogenen entwickelt werden.
Hierbei kann es sich um Krankheitserreger oder Pilze handeln, welche Pflanzen, Menschen und Tiere befallen können.
Als Inspiration dient dem iGEM-Team (international Genetically Engineered Machine) die Funktionsweise von Phagen.
Diese Partikel kommen in der Natur überall vor und infizieren sehr spezifisch und zielgerichtet Bakterien.
Diese Eigenschaft soll nun genutzt werden, um nur die Schädlinge anzugreifen, ohne dabei der Wirtspflanze oder anderen Pilzen zu schaden.
Proteinhülle als Adressaufkleber
Es existieren Proteine, die von spezifischen Zellen aufgenommen werden können.
Deshalb entwickeln die Forscher eine Proteinhülle, die für nützliche Pilze unattraktiv, aber für schädliche Pilze attraktiv ist und von diesen aufgenommen wird.
„Das ist quasi wie ein Adressaufkleber, mit dem das Paket an den schädlichen Pilz geliefert werden kann“, sagt Teammitglied Johanna Opgenoorth.
Der phagenähnliche Partikel besteht aus einer Proteinhülle, die DNA umschließt. Einige der Proteine auf der Außenhülle werden von einzelnen Pilzen spezifisch aufgenommen, während andere Zellen dies nicht tun. Sie funktionieren also wie Adressaufkleber.Die DNA bildet den Bauplan für ein Protein, das in der schädlichen Pilzzelle zusammengesetzt wird. Dieses Protein zerschneidet jegliche RNA in der Zelle und hindert sie somit daran, weiter zu wachsen, was schlussendlich zum Zelltod des Schädlings führt. Bild: iGEM Bielefeld
Im „Paket“ befindet sich dann DNA, die als Bauplan für Proteine dient, welche die RNA des Pilzes in dessen Zellen zerschneiden kann.
„Das ist so als ob man ein Auto so manipulieren wollte, dass es nicht mehr fahren kann. Man nimmt ihm die Reifen weg oder baut andere Teile aus, um es funktionsunfähig zu machen. Das Gleiche passiert in den Zellen des Pilzes“, erläutert Alexander Schulze.
Für jeden schädlichen Pilz muss allerdings ein eigenes Adressschild entworfen werden.
Dabei muss die Proteinhülle aber nicht immer wieder neu erfunden werden, sondern nur spezifisch modifiziert: Um bei der Adressmetapher zu bleiben – werden die Straße oder Hausnummer ausgetauscht, je nachdem wie nah sie beieinander wohnen bzw. wie ähnlich sich die Pilze genetisch sind.
Zu Beginn testet die Forschergruppe ihren Ansatz an Hefe, also an einem ungefährlichen Pilz.
Damit soll ein System geschaffen werden, das sich später auf andere Pilze übertragen lässt und damit eine „Tool Box“ gepackt werden, die theoretisch bei allen schädlichen Pilzen eingesetzt werden kann.
Mit der Proteinhülle würden die Forscher dann ein Multifunktionswerkzeug gegen Schädlinge liefern, das an das jeweilige Ziel angepasst werden kann.
Biosicherheit wichtiger Bestandteil
Durch die Verwendung von Proteinhüllen als Vehikel soll die Bekämpfung der schädlichen Pilze für alle anderen Pflanzen und Lebewesen ungefährlich sein.
Denn genau wie die als Muster dienenden Phagen können sich die Proteinhüllen nicht selbst vermehren.
Phagen können sich nämlich nicht allein, sondern ausschließlich in Bakterienzellen vermehren.
Ein Phage ist sehr viel kleiner als eine Bakterienzelle und besteht lediglich aus seiner Erbsubstanz (Nukleinsäure, oft DNA), die in eine Proteinhülle eingebettet ist.
Damit sind Phagen schon heute eine Alternative zu Antibiotika: findet man einen Phagen gegen ein krankmachendes (pathogenes) Bakterium und setzt ihn dagegen ein, so kann das Bakterium schnell, spezifisch und ohne bekannte Nebenwirkungen abgetötet werden, denn der Phage lässt andere Bakterien, z.B. die wichtige Darmflora, unangetastet.
Was in der Medizin schon praktiziert wird, möchten die Bielefelder Wissenschaftler auch in der Landwirtschaft anstoßen.
Im Gegensatz zu einem Phagen, der sich im Bakterium vermehren kann, wird das Bielefelder System jedoch nicht in der Natur vervielfältigt. Sondern nur gezielt im Labor.
Die Forschungsgruppe
Das iGEM Team aus Bielefeld (von links) Ina Schmitt, Isabel Conze, Niklas Fante, Adila Apsara, Alexander Schulze, Katharina Wolff, Johanna Opgenoorth, Astrid Többer und Nefeli Chanoutsi
Zur Forschungsgruppe gehören derzeit 9 Studenten und Studentinnen aus verschiedenen naturwissenschaftlichen Bereichen.
Als Team des internationalen Wettbewerbs iGEM (international Genetically Engineered Machine) erarbeiten sie dieses Projekt freiwillig und in Eigeninitiative neben dem regulären Studium.
iGEM ist ein internationaler Wettbewerb der synthetischen Biologie, bei dem auf Basis biologischer Methoden neue Möglichkeiten der Problembewältigung gesucht werden.
Alexander Schulze stellt beim FameLab Germany das Projekt im Landwirt-Outfit vor. Bild: Kerstin Panhorst
„Als Team Bielefeld-CeBiTec nehmen wir in diesem Jahr zum zehnten Mal in Folge an diesem Wettbewerb teil und können dabei auf einige große Erfolge zurückblicken. So hat es bis jetzt jedes unserer Teams geschafft, eine Gold-Medaille nach Hause zu bringen“, sagt Teammitglied Alexander Schulze, der kürzlich mit der Vorstellung des Projekts bis ins bundesweite Finale des Wissenschaftswettbewerbs FameLab einzog.
Zwar endet die Arbeit der Forschungsgruppe im Herbst nach dem diesjährigen iGEM-Finale in Boston, an dem rund 350 Teams auch von Eliteuniversitäten wie Harvard, Yale oder dem MIT teilnehmen, doch die Forschung kann weiter gehen.
Denn ganz bewusst ist die Arbeit als Open Source Projekt angelegt, d.h. jede andere Forschungseinrichtung und jedes Unternehmen kann die Ergebnisse für ihre eigene weitere Forschung nutzen.
Um ihre Forschung voranzutreiben braucht die Forschergruppe finanzielle Unterstützung. Dafür hat sie eine Crowdfunding-Aktion bei Startnext ins Leben gerufen, die über den Link https://www.startnext.com/igem-bielefeld-cebitec-2019 zu erreichen ist.
Weitere Informationen zum Projekt gibt es auf
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