Auch die Grüne Woche musste in diesem Jahr pandemiebedingt auf eine virtuelle Version ausweichen.

Zwei Tage lang gab es Live-Streams, dynamische Talk-Runden, Keynotes, Preisverleihungen und Videos rund um Produktinnovationen, die Zukunft der Regionalität, die digitale Essgesellschaft sowie Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft, beim Einkauf oder im Konsum. Über 100 Beiträge wurden dafür von den Messepartnern eingereicht.

Auf verschiedenen Plattformen konnte sich der Besucher dabei seine Messe selbst zusammen stellen, auch wenn man durch viele Überschneidungen nicht alles mit bekam.

Wir waren dabei und haben die digitale Grüne Woche ausprobiert.

 

 

Zukunft der Landwirtschaft

 

Ganz klassisch gestaltet sich der erste Punkt auf unserer Tagesliste.

Die Eröffnungs-Pressekonferenz der Messe Berlin anlässlich der IGW Digital 2021 steht auf dem Programm.

Martin Ecknig, Vorsitzender der Geschäftsführung Messe Berlin GmbH, erklärt zunächst das Motto der Messe: „Rooting for tomorrow“: „Die Zukunft hat ihre Wurzeln im jetzt und hier. Wir säen heute was wir morgen ernten, wir stellen jetzt die Weichen für die Zukunft“.

Mit der Zukunft der Landwirtschaft im Besonderen setzt sich anschließend Joachim Rukwied auseinander. Die Bauern befänden sich derzeit in einer schwierigen Situation. In diesem Super-Wahljahr würden die Weichen für die nächsten Jahre gestellt, vor allem durch die europäische Agrarreform.
Die derzeitige Unternehmensergebnisse seien nicht zufrieden stellend, die Preise für Agrarerzeugnisse im Vergleich zu den bei der Produktion angesetzten hohen Standards zu niedrig. Angesichts der Corona-Pandemie müsse man sich zudem fragen, ob die Betriebe arbeitsfähig bleiben können, hier seien Hilfsmaßnahmen auch für die Landwirtschaft von Nöten. Gerade im Sonderkulturbereich sei die Beschäftigung von Saisonarbeitern aus Osteuropa auch in diesem Jahr wieder ein schwieriges Thema.
Einen positiven Effekt der Pandemie sieht der Präsident des Deutscher Bauernverbandes e.V. aber: „Die Nachfrage nach regionalen Produkten hat zugenommen, die Hofläden verzeichnen ein leichtes Plus“. Die Nachfrage nach heimischen Erzeugnissen müsse aber auch Auswirkungen auf den LEH haben: „Wir brauchen am Ende in der Wertschöpfungskette auch die Wertschöpfung in einem höheren Preis“.
Neben der Einführung einer verpflichtenden Herkunfts- und Haltungskennzeichnung regt Rukwied hierbei auch die Schaffung eines „Deutschland-Bonus“ für heimische Produkte an.

So ganz zeigt sich die große Nachfrage allerdings nicht in den Zahlen des letzten Jahres. Nur im Frühjahr kam es durch Hamsterkäufe kurzzeitig zu einem Peek, erhöhtem Produktionsdruck und Lieferengpässen, berichtet Stefanie Sabet. In der Gesamtbilanz, so die Geschäftsführerin Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e.V. (BVE), sank der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr in der Lebensmittelproduktion um 3 Prozent auf 184,7 Milliarden Euro. Der Inlandsumsatz blieb dabei weitgehend stabil, die Exporte sanken aber durch die schwierige Weltmarktlage.

 

 

Klimawandel und Landwirtschaft

 

Jetzt haben wir die Qual der Wahl.

Zum einen lockt das Zukunftsforum Ländliche Entwicklung, mit dem das Bundeslandwirtschaftsministerium eine virtuelle Plattform für Austausch, Diskussion und Wissenstransfer rund um die Frage: „Alles digital oder doch wieder normal? Neue Formen von Arbeit und Teilhabe als Chance für die Ländlichen Räume.“ bietet. Auf der anderen Seite wartet das „Global Forum for Food and Agriculture“, das der Frage „Pandemien und Klimawandel: Wie ernähren wir die Welt?“ nachgeht.

Da im ersteren Julia Klöckner nur eine allgemeine Eröffnungsrede hält entscheiden wir uns für das Globale Forum und seine illustre Besetzung.

Das High Level Panel zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich. Unter dem Titel „Klimawandel – was geht’s die Landwirtschaft an?!“ wird diskutiert über die Verringerung der Emissionen aus der Landwirtschaft. „Wie können der Agrarsektor und die Agrarpolitik zum Klimaschutz beitragen?“ Lautet eine der Fragen, eine andere „Wie können wir die Lebensmittelsysteme klimaresistenter machen?“

Da die deutsche Simultanübersetzung doch sehr zusammenhangslos und stolperhaft erfolgt, schalten wir rüber zur englischen Originalversion.

Der Druck auf die Landwirtschaft wachse, gerade die Pandemie habe aber auch gezeigt wie wichtig eine funktionierende Landwirtschaft und funktionierende Lieferketten seien, sagt dort Janusz Wojciechowski. Als Mitglied der Europäischen Kommission ist er zuständig für Landwirtschaft: „Die Landwirtschaft muss nachhaltiger und umweltfreundlicher werden ohne dabei die Ernährungssicherheit aufs Spiel zu setzen“. Da der Klimawandel aber ein globales Problem ist, müsse man auch eine globale Lösung finden und gemeinsam agieren.

Dr. Johan Swinnen hält danach einen Impulsvortrag. Man müsse Emissionen reduzieren und die Produktivität steigern ohne zugleich mehr Treibhausgase zu erzeugen, sagt der Generaldirektor des International Food Policy Research Institute (IFPRI). Dies könne unter anderem durch eine Überdenkung von Subventionssystemen erfolgen.

Mit dem „Wie“ beschäftigen sich auch die anderen Teilnehmer und geben dazu Beispiele aus ihren Ländern.

Marie-Claude Bibeau stellt die „Food Policy Strategy“ ihrer Heimat Kanada vor. Zahlreiche staatliche Unterstützungsmassnahmen für Landwirte helfen diesen, widerstandsfähiger zu werden. Die Verbraucher fragen zunehmend nach umweltfreundlich hergestellten Erzeugnissen und nach regionalen Produkten, erzählt die kanadische Ministerin für Landwirtschaft und Agri-Food. Man habe die Produktion verdoppeln und gleichzeitig die Emissionen stabil halten können, sagt sie.

Australien setzt unterdessen vor allem auf Forschung und Innovation. Das Land strebe Klimaneutralität an, berichtet Jonathan Duniam. Die Entwicklung von Tierfutter aus Seetang und dem daraus resultierenden im Handel als Co2-neutralen Fleisch verkauften Produkt führt der stellvertretende Minister für Fischerei und Forstwirtschaft als gelungenes Beispiel für die Umsetzung dieser Innovationen an.

Elizabeth Nsimadala regt an mehr solcher gelungenen nationalen Errungenschaften global zu sammeln und auch anderen Ländern zur Verfügung zu stellen. Die Präsidentin der Pan Africa Farmers Organization (PAFO) wirbt für eine stärkere Kooperation und für ein besseres Risikomanagement für die Landwirte, deren Ernten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind.

Frühwarnsysteme und Versicherungen gegen Extremwetter können dabei helfen, sagt auch Dr. Johan Swinnen in einem weiteren Impulsvortrag.

 

 

Agrarreform als erster Schritt

 

Wir wechseln das Panel und hören kurz hinein in ein politisches Pressegespräch des BÖLW – Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft.

Dort geht es gerade um die EU Agrarpolitik und die Direktzahlungen. Dass diese Zahlungen an Umweltkriterien gebunden sind, gehe in die richtige Richtung, sagt Dr. Alexander Gerber (BÖLW-Vorstand Landwirtschaft). Allerdings müsse die Architektur dieses Systems so aufgebaut sein, dass sich die verschiedenen Subventionen nicht gegenseitig blockierten oder gar „kannibalisierten“.

Dr. Felix Prinz Löwenstein (BÖLW-Vorsitzender) hält die vorsichtige Agrarreform für vernünftig. Man habe nicht alles auf einmal umkrempeln können, da die Betriebe angewiesen sind auf die Gelder und einen Bruch nicht gebrauchen können. Allerdings hätte er sich gewünscht, das Ministerin Klöckner die Reform nicht als „Paradigmenwechsel“ verkaufe, sondern nur als einen ersten Schritt.

 

 

GAP und Co.

 

Die Diskussion über die Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020 ist derweil im vollen Gange im Zukunftsforum Ländliche Entwicklung.

Wie steht es auf EU-Ebene, sind Ziele und Leistungsrahmen auf Kurs?

Kathrin Maria Rudolf (Europäische Kommission, Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung) gibt einen Überblick über die bisherige Entwicklung. Zur Zeit befinde man sich in der Triloge, also in der letzten Phase politischer Verhandlungen, in der der Rechtsrahmen für die letzte Fassung festgelegt wird.
Zwei große Fragen stünden derzeit im Fokus: „Wie kann man Agrarpolitik mehr auf die Schiene Leistungsorientierung bringen?“ und „Wie kann die GAP im Bereich Klima- und Umweltausrichtung gestärkt werden, so dass Landwirte mehr unterstützt werden können?“.
Zudem gelte es die nationalen Strategiepläne strategisch sinnvoll vorzubereiten.

Dr. Gisela Günter (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) gibt danach einen Ausblick auf die Erstellung des deutschen nationalen GAP-Strategieplans und setzt sich mit der Digitalisierung auseinander. Ziel sei ein sukzessiver Ausbau der digitalen Infrastruktur und ein Ausbau der Versorgung mit Breitband und Mobilfunk für ländliche Regionen, erzählt Günter. In welchem Zeitrahmen das passieren soll wird nicht thematisiert, es gibt also nichts Neues.

 

 

Startup-Days

 

Also schnell ein Blick hinüber zu den IGW Startup-Days, die wirkliche Neuigkeiten und Innovationen versprechen.

Bei den Startup-Days werden jungen Unternehmen aus der Agtech- und der Foodtechbranche mit einem skalierbaren und marktreifen Produkt gesucht, das die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung unterstützt. Auf der IGW Digital pitchen die Startups vor einer hochkarätigen Jury. Die hat zuvor bereits unter allen eingereichten Bewerbungen 6 junge Unternehmen aus der Agtech- und Foodtechbranche ausgesucht, um sich bei den Startup-Days zu präsentieren.

Es gibt zum Beispiel Kimchi im Glas oder auch die App „Too good to go“, die Lebensmittel retten will.
Außerdem gibt es noch einen Vortrag von Höhle der Löwen – Investor Frank Thelen unter dem Motto „10xDNA: Das Mindset der Zukunft“. Der ist für unsere Branche allerdings wenig interessant, weswegen wir uns erneut durch die verschiedenen Panels klicken.

 

 

Wie schmeckt die Zukunft?

 

Zeit für leichte Kost. Warum also nicht mal beim Format „ZukunftSchmeckt – Cook & Talk“ vorbei schauen?
Hier sollen spannende Produktinnovationen mit einer Kochshow und interessanten Talkgästen aus Unternehmen und Politik kombiniert werden, um Einblicke in Lösungen von Zukunfts- und Genussfragen zu eröffnen.

„Wie schmeckt die Zukunft?“ werden unter anderem Dr. Margareta Büning-Fesel, Leiterin Bundeszentrum für Ernährung und Renate Kühnast gefragt. „Die Zukunft schmeckt vielfältig“, ist sich die Grünen-Politikerin sicher und erwartet „bunte Teller und nachhaltiges Essen“.

Neben aktuellen Ernährungstrends stehen auch schwarzer Quinoa und Hähnchencurry auf dem Plan, die Koch Sebastian Morgenstern in einem Foodtruck zubereitet. Nett, aber doch nicht so spannend.

 

 

Und sonst so?

 

Deshalb zum Abschluss noch ein Abstecher zur IGW World, wo kleine Videos und Diskussionen zu Themen aus aller Welt anstehen.

Wir werfen einen Blick auf unsere Nachbarn und die „Zukunftsfähige Landwirtschaft in den Niederlanden“.
Das niederländische Ministerium für Landwirtschaft, Natur und Lebensmittelqualität arbeitet an gesunden Zukunftsperspektiven für die niederländische Landwirtschaft, den Gartenbau und die Fischerei. Dabei geht es vor allem um die Wiederherstellung und Erhaltung von Naturgebieten und einer gesunden Umwelt. Ziel ist es, die führende internationale Position des Agrarsektors zu festigen, die Verbindung zwischen Natur und Landwirtschaft zu stärken und die wirtschaftliche Situation der Landwirte zu verbessern. – sicherlich auch ein gutes Vorbild für Deutschland.

Auch interessant ist das Gespräch zwischen Gespräch zwischen Heiner Sindel, Bundesverband Regionalbewegung e.V. und Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin UnternehmensGrün und Aufsichtsrätin Regionalwert AG Berlin-Brandenburg zum Thema „Regionalisierung in der Ernährungswirtschaft – aktuell wie nie zuvor!“
Sie singen ein Loblied auf regionale Produkte – klimafreundlich sind sie, gut für Gemeinwohl und stärken zudem ländliche Regionen.

Dem können auch wir nichts hinzufügen und verlassen die Messe mit einem Klick statt einer langen Heimfahrt von Berlin– hier zeigt sich dann wieder der Vorteil der Digitalisierung.

 

Alles rund um die Grüne Woche und zahlreiche On-Demand-Videos gibt es noch bis zm 30. April zum Abruf unter https://www.gruenewoche.de/

 

 

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